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Impuls zum 24. April 2022

Zum Sonntag nach Ostern, dem „Weißen Sonntag“

Von Clemens-August Holtermann, Oer-Erkenschwick, Mitglied der pax christi-Gruppe Recklinghausen

Den Finger in die Wunde legen
Was mich an diesem Evangelium (Joh.20,19-31) immer wieder beeindruckt, ist der Wunsch des Thomas, die Wunden Jesu zu sehen und zu berühren. Keinen strahlenden Sieger will er sehen, keinen Siegeskranz, sondern die Wunden des Siegers! Möchte er einen Beweis, dass diese Erscheinung wirklich der gekreuzigte Jesus ist? Möchte er wissen, ob dieser Jesus zu seiner Geschichte, auch zu seinem Scheitern steht? Möchte er klären, wie er selbst zu seiner eigenen Geschichte mit Jesus steht, auch zu seinem feigen Verschwinden?  Und was erlebt er? Mit seinen verwundeten Händen wünscht der auferstandene Jesus allen Anwesenden Frieden! Und Thomas erkennt in diesem verwundeten Jesus seinen Herrn und Gott! Welch ein Gottesbild! Ein verwundeter Gott!

Und dieser Jesus zeigt bis heute allen, die auf ihn blicken, seine Wunden und wünscht ihnen damit den Frieden! Außerdem begegnet er, der verwundete Gott, auch heute allen Menschen in den Verwundeten und Leidenden unserer Zeit: Was ihr denen tut, bzw. nicht tut, tut ihr auch mir, bzw. auch mir nicht! (Vgl. Mt.25,31-45). Anders ausgedrückt: Jede Wunde, jedes Leid schreit nach einer Antwort, nach der Antwort der Liebe! Schreit nach Frieden! Das gilt für die Wunden, die wir Menschen einander zufügen und gilt für die Wunden, die die Natur im Kleinen und Großen schlägt! Damit sind wir in der Ukraine und Russland, im Ahrtal und auf den Philippinen! Und da sind wir wieder bei Thomas und seinem und unserem Herrn und Gott, sind bei der gekreuzigten Liebe, die uns die wunden Hände zum Friedensgruß reicht! Ergreifen wir diese Hände? Gestehen wir unser Versagen, unsere Halbherzigkeit ein und gehen Schritte der Versöhnung und des Friedens!?

Vielleicht fällt Ihnen bei dieser Erzählung von Thomas ja auch die Redewendung ein: „Den Finger in die Wunde legen!“ Das bedeutet: Da wird etwas offengelegt, was peinlich, unangenehm ist. Thomas will seine Finger in die Wunden legen, die er mit verursacht hat, bei denen er seinen Freund Jesus im Stich gelassen hat und schuldig geworden ist. Ob sein schlechtes Gewissen ihn bewegt? Zumindest nimmt er das Angebot der verwundeten Hände, mit denen Jesus ihnen allen den Frieden schenkt, an und wird ein Bote des Evangeliums der Liebe, die stärker ist als Hass und Tod! „Die Finger in die Wunden legen“, sein Versagen, seine Schuld eingestehen als ein wichtiger Schritt zur Versöhnung und zum Frieden!

Aus aktuellem Anlass fällt mir die Gedenkstätte in Oer-Erkenschwick ein, wo das Modell eines Barackenlagers für Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene aus der Ukraine und aus Russland an eine große, schmerzliche Wunde erinnert: An die Gräueltaten von Deutschen in diesen Ländern und an die Ausbeutung von Russ:innen und Ukrainer:innen als „Arbeitstiere“ z. B. im Bergbau. Zudem erschien in unserer Tageszeitung am 29.03.22 ein ausführlicher Artikel mit Namen und Daten zu den Zwangsarbeiter:innen in Recklinghausen ab 1941. Verbunden damit waren Berichte über die grausame Kriegsführung der deutschen Armee im Osten und über die Massaker besonders an der jüdischen Bevölkerung in der Ukraine. Und die dort genannten Orte der Verwüstung und Vernichtung tauchen auch jetzt in der Berichterstattung über den aktuellen Krieg wieder auf! Zur Geschichte stehen! Daraus lernen!? Schritte zur Versöhnung gehen!

Thomas mit seinem schlechten Gewissen wollte seine Finger in die Wunden Jesu legen und damit in die Wunde seines eigenen Versagens. Er anerkannte die Autorität Gottes in den Wunden, in dem Verwundeten! Das führte dann zur Versöhnung! Wir wissen um die Wunden der Kriege, des Nationalismus, des Rassismus …um die Wunden und Verletzungen im Alltag! Aber welche Autorität haben sie? Führen sie zu Versöhnung und Frieden?
Es ist erfreulich, wie viele Menschen anpacken und den Menschen in der Ukraine und auch den Flüchtlingen hier helfen! Da wird die Autorität der Wunden, der Schrei der Verwundeten nach Liebe anerkannt! Aber die Politik spart bei der Entwicklungshilfe und Sozialausgaben, also bei wichtigen Mitteln zum Frieden, zur Versöhnung und genehmigt Unsummen, 100 Mrd. €, für Waffen!

Dieser Schrei der Verwundeten, aller Leidenden nach Liebe, nach Frieden bleibt also für uns alle eine Herausforderung! Wir haben die Wahl:
1. Die gekreuzigte und verwundete Liebe weiter zu kreuzigen, zu verwunden oder
2. selbst die Antwort der Liebe auf den Schrei der Wunden zu geben! Versöhnung und Frieden zu suchen!

Ich erinnere zum Schluss an die zuversichtlichen Worte des Apostel Paulus in Röm. 8,31-39: „Weder Tod noch Leben … können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ 

Das nehme ich auch als Überleitung zu dem Text von D. Bonhoeffer. (Aus „Widerstand und Ergebung“, 21.07.44)

Christen und Heiden
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.

Menschen gehen zu Gott in seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinem Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.

Die Liebe Gottes ist unwiderruflich! Um unsere Antwort geht es in den Seligpreisungen. Dazu gibt es eine entsprechende Andacht für die Weihnachtszeit (GL.675, 2b). Es geht um unsere Menschwerdung nach dem Beispiel Jesu!

Menschwerdung
V In Jesus ist Gott Mensch geworden. In ihm wird offenbar, wie Gott uns Menschen will. So Mensch sein, so leben, wie geht das?
V/A: Wort Gottes, Mensch geworden, lehre uns, Mensch zu werden.
V:-Lehre uns die Freiheit der Seligpreisungen, wie du sie verkündet hast.
-Lehre uns die Armut vor Gott, wie du sie gelebt hast.
-Lehre uns die Trauer, wie du sie empfunden hast.
A: Wort Gottes, Mensch geworden, lehre uns, Mensch zu werden.
V:-Lehre uns die Gewaltlosigkeit, wie du sie geübt hast.
-Lehre uns die Barmherzigkeit, wie du sie geschenkt hast.
-Lehre uns, reinen Herzens zu sein, wie du es gewesen bist.
A: Wort Gottes, Mensch geworden, lehre uns, Mensch zu werden.
V:-Lehre uns, den Frieden stiften, wie du es getan hast.
-Lehre uns, die Gerechtigkeit suchen, für die du gestritten hast.
-Lehre uns, die Wahrheit bezeugen, für die du gelitten hast.
A: Wort Gottes, Mensch geworden, lehre uns, Mensch zu werden.
V:-Lehre uns die Schöpfung achten, die du so geliebt hast.
-Lehre uns den Vater ehren, den du so verherrlicht hast.
-Lehre uns seine Töchter und Söhne sein, weil du unser Bruder bist.
A: Wort Gottes, Mensch geworden, lehre uns, Mensch zu werden wie du.
-
Lied 
„Hoffen wider alle Hoffnung…“ (H.M . Lonquich) GL 829, Anhang Münster

 

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