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Impuls zum 27. März 2022

Zum 4. Sonntag der Fastenzeit „Laetare“

Von Dr. Ute Zeilmann, Bremen, pax christi-Kommission Migration

Einstieg und Song
Sind wir Brüder unter Waffen oder unter Vergebung?

1985 veröffentlicht die Band Dire Straits den Song „brothers in arms“ – der politische Hintergrund ist der Falklandkrieg, der von britischer Seite zwar schon drei Jahre zuvor für beendet erklärt worden ist. Doch dieser Krieg wirkte im Vereinigten Königreich noch lange nach. Der Politologe und Theologe Egon Spiegel schrieb erst kürzlich in einem Gastbeitrag auf katholisch.de vom 12. März 2022, dass nach diesem Falklandkrieg mehr britische Soldaten Suizid begingen, als während des Krieges getötet worden sind. Waffenbrüder, wie man brothers in arms auch übersetzen könnte, sind nämlich gar nicht so stark, wie einige vielleicht vermuten. Gewisse Bilder und Botschaften aus der Ukraine wollen uns auch jetzt das Gefühl vermitteln, dass dieser Krieg die Menschen in der Ukraine zusammenschweißt. Das ist auf den ersten Blick plausibel und gar nicht negativ zu bewerten, trotzdem, der Songtext zeigt, es: Geschwister unter Waffen sein ist sinnlos, Menschen sterben, Landschaften sind zerstört, es ist verrückt, Krieg zu führen. Denn es sind Geschwister, Menschheitsgeschwister unter Waffen, egal von welcher Truppe / aus welchem Land, ob Angreifende oder Verteidigende, es sind Geschwister unter Waffen. 

Wer mag, kann jetzt den Song hören. 

Dire Straits „brothers in arms“
These mist covered mountains
Are a home now for me
But my home is the lowlands
And always will be
Someday you'll return to
Your valleys and your farms
And you'll no longer burn to be
Brothers in arms
Through these fields of destruction
Baptisms of fire
I've witnessed your suffering
As the battle raged high
And though they did hurt me so bad
In the fear and alarm
You did not desert me
My brothers in arms
There's so many different worlds
So many different suns
And we have just one world
But we live in different ones
Now the sun's gone to hell and
The moon's riding high
Let me bid you farewell
Every man has to die
But it's written in the starlight
And every line in your palm
We're fools to make war
On our brothers in arms

Gebet 
Gott, Du hast uns in der Taufe zu Deinen Kindern gemacht, damit sind wir Geschwister. Wir kennen aus unseren Familien, dass uns Rivalität, Konkurrenz, Streit unter Geschwistern nicht fremd ist. Dennoch: Es gibt ein Band der Zugehörigkeit, der Liebe. Sollte das nicht stärker sein? Sollte nicht das Vertrauen, dass Deine Liebe für alle reicht, uns einen? Wir müssen nicht kämpfen um Deine Güte und Liebe, um unsere Würde vor Dir, weil Du mehr davon zu schenken vermagst, als wir es uns vorstellen können. 

So hilf uns, dass wir nicht rivalisierende, kämpfende, einander bekriegende Geschwister sind, sondern Dir vertrauende Geschwister, die einander anerkennen als das, was wir alle sind: deine geliebten, würdevollen Kinder. AMEN.

Das biblische Wort aus dem Lukasevangelium
In jener Zeit
1 kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus,
um ihn zu hören.
2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber
und sagten: Dieser nimmt Sünder auf
und isst mit ihnen.
3 Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis
11 und sagte: Ein Mann hatte zwei Söhne.
12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater:
Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht!
Da teilte der Vater das Vermögen unter sie auf.
13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen
und zog in ein fernes Land.
Dort führte er ein zügelloses Leben
und verschleuderte sein Vermögen.
14 Als er alles durchgebracht hatte,
kam eine große Hungersnot über jenes Land
und er begann Not zu leiden.
15 Da ging er zu einem Bürger des Landes
und drängte sich ihm auf;
der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten.
16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt,
die die Schweine fraßen;
aber niemand gab ihm davon.
17 Da ging er in sich
und sagte:
Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss,
ich aber komme hier vor Hunger um.
18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen
und zu ihm sagen: Vater,
ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.
19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein;
mach mich zu einem deiner Tagelöhner!
20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater.
Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen
und er hatte Mitleid mit ihm.
Er lief dem Sohn entgegen,
fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
21 Da sagte der Sohn zu ihm: Vater,
ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt;
ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
22 Der Vater aber sagte zu seinen Knechten:
Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an,
steckt einen Ring an seine Hand
und gebt ihm Sandalen an die Füße!
23 Bringt das Mastkalb her und schlachtet es;
wir wollen essen und fröhlich sein.
24 Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder;
er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Und sie begannen, ein Fest zu feiern.
25 Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld.
Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam,
hörte er Musik und Tanz.
26 Da rief er einen der Knechte
und fragte, was das bedeuten solle.
27 Der Knecht antwortete ihm:
Dein Bruder ist gekommen
und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen,
weil er ihn gesund wiederbekommen hat.
28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen.
Sein Vater aber kam heraus
und redete ihm gut zu.
29 Doch er erwiderte seinem Vater:
Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir
und nie habe ich dein Gebot übertreten;
mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt,
damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
30 Kaum aber ist der hier gekommen,
dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat,
da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
31 Der Vater antwortete ihm:
Mein Kind, du bist immer bei mir
und alles, was mein ist, ist auch dein.
32 Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen;
denn dieser, dein Bruder, war tot
und lebt wieder;
er war verloren
und ist wiedergefunden worden.

Impuls
Es ist nicht der erste Bruderkonflikt aus Neid, den die Bibel erzählt. Der Sündenfall (ja, dieser betrifft nicht Eva, erst in der Kain-Abel-Geschichte fällt der Begriff Sünde!) geschieht aus der Rivalität zwischen Kain und Abel. Kain hätte anerkennen müssen, dass beide Brüder, er als Ackerbauer und Abel als Kleinviehhirte, ganz unterschiedliche Lebensgrundlagen hatten, die nicht gut vergleichbar sind. Als Ackerbauer kann Kain im altorientalischen Kontext an einem Ort bleiben, sich ein sicheres Zuhause schaffen. Solange die Witterungsbedingungen mitspielen, ist das ein entspannteres Leben, sogar mit gewisser Freizeit, wenn grad nichts auf dem Feld zu tun ist und die Vorräte reichen. Kain kann als Ackerbauer gut vorsorgen. Abel hingegen ist als Kleinviehhirte darauf angewiesen, mit den Ackerbauern zu kooperieren, muss verschiedene Weideflächen suchen, ist viel draußen, auch an gefährlichen Orten, unterwegs ohne ein festes Zuhause. Er muss dafür sorgen, dass seine Tiere immer genug zu fressen haben. Der einzige Vorteil ist, dass er so flexibel auf ungünstige Witterungsverhältnisse reagieren kann. Es gibt also durchaus deutliche Unterschiede zwischen dem Leben beider Brüder und trotzdem beginnt Kain mit dem Vergleich. Dass dieser schiefgeht und zu Neid führt, wird verstärkt durch ein Eingreifen Gottes. Vielleicht schaut Gott auf die Gabe von Abel, da er es als Viehhirte ohne sicheres Zuhause und in ständiger Abhängigkeit von den Ackerbauern und ihrem Grundbesitz schwerer hatte als Kain? Vielleicht will Gott nur einen Ausgleich schaffen, während Kain den Vergleich wagt. Er wird neidisch, sein Blick senkt sich, da er die unterschiedlichen Kontexte nicht beachtet und voll von Neid wird. Diese Emotion verführt ihn dazu, Abel zu töten. 

Die nächste prominente Rivalität zwischen Geschwistern lesen wir bei Josef und seinen Brüdern. Diese gründet in der Rivalität der beiden Frauen ihres Vaters Jakobs. Jakob kann seine Liebe nicht beiden Frauen, von denen eine ihm heimtückisch zugeführt worden ist, gleichermaßen verschenken, er ist ein Mensch. Er liebt Rahel mehr. Auch hier in dieser Ungleichheit versucht Gott, einen Ausgleich zu schaffen, indem er Lea, die ungeliebte Frau, zur mehrfachen Mutter macht, während Rahel lange Zeit unfruchtbar bleibt. Spät gebiert Rahel dann doch zwei Söhne, Josef und Benjamin, wobei sie bei der Geburt von Benjamin stirbt. Die Folge ist, dass Josef, der erste Sohn von Rahel, der Lieblingssohn von Jakob wird. Josef bekommt großzügige Geschenke, weiß um seine Vorzugsstellung in der Familie und der Neid der Brüder wird geweckt. Sie sehnen sich nicht nach der Anerkennung und Liebe ihres Vaters, sonst würden sie mit Jakob reden. Da sie beschließen, Josef aus dem Weg zu räumen, wohlwissend, dass sie ihrem Vater damit schlimmstes Leid zufügen, zeigt, dass es ihnen schlichtweg um ihr Erbe und die Güter Jakobs geht. Obwohl sie Josef dank der Intervention von Ruben nicht töten, begehen die Brüder das Verbrechen des Menschenhandels und tischen dem Vater die Lüge auf, dass Josef von einem Raubtier getötet worden sei. 

Neid und Rivalität bringen Leid und Unfrieden, dazu dass die Erde als verflucht gilt. Als Folge von Kains Mordtat fürchtet Gott Lynchjustiz, dass auf jede Gewalt Gegengewalt folgt. Er versetzt Kain ein Zeichen, dass ihn keiner erschlägt. Mit der Schuld ruhelos zu leben, ist Strafe genug. Gott interveniert erneut, um die Eskalation der Gewalt zu unterbinden. Bei der Joseferzählung ist es noch spannender. Die verbrecherische Tat der Brüder sichert am Ende sogar das Überleben der Großfamilie in Ägypten während einer Hungersnot. Josef sinnt nicht auf Rache, nur eine kleine Liste wendet er an, um seinen Brüdern zu zeigen, wer er ist und dass er anders handelt als sie: Er vergibt seinen Brüdern. 

Und nun zum Gleichnis vom barmherzigen Vater: Auch hier gibt es Neid und Zorn wegen der Ungleichheit und ungleichen Behandlung von Geschwistern. So spricht der Sohn, der treu beim Vater geblieben war, ihn unterstützt hat, seine Pflichten erfüllt hat und die Verantwortung für das gemeinsame Gut erfüllt hat, seinen Neid und Frust aus. Auch er fühlt sich ungerecht behandelt, will zornig dem Wiedersehensfest über den zurückgekehrten, verarmten, das Erbe durchgebrachten Sohn fernbleiben. Das aber ist der Schlüssel, auf den der Vater reagieren kann: Er nimmt die Gefühlslage an, merkt, wie sein ihm bisher so naher Sohn sich von ihm entfernt und entfremdet. Der Vater spricht ihn direkt an. Ebenso wagt der Sohn, seine Gefühle der Enttäuschung, des Zorns, des Neids, der Rivalität auszusprechen. Weder Kain noch Josefs Brüder haben gewagt, Gott oder Jakob ihre Emotionen anzusprechen. Stattdessen haben sie gleich zu den „Waffen“ gegriffen. Dem Vater im Evangelium gelingt es, die vergebende Haltung, Liebe und Wiedersehensfreude über den verlorenen Sohn und Bruder mit seinem treuen Sohn zu teilen, weil dieser den Mut und das Vertrauen hatte, seinem Vater die Ungerechtigkeit und Benachteiligung, die er verspürt, offen anzusprechen. Der daheimgebliebene Bruder hat nicht mitbekommen, wie sehr der rückkehrende Bruder seine Fehler bereut, um Vergebung gebeten hat. Doch der Vater weiß es und bezieht den Bruder, der bei ihm geblieben war, in diese Vergebung mit ein. Diese Brüder sind keine Brüder unter Waffen mehr, sondern Brüder unter der Vergebung. Der Sohn, der sich benachteiligt fühlt, wird wegen seines verständlichen Neids und Zorns nicht verurteilt. Der Vater zeigt ihm aber, dass er sich selbst verschließt, abwendet von der Freude des Lebens und der Gemeinschaft und isoliert, wenn er nicht auch vergeben kann. Der Vater erschließt ihm die Freude der Vergebung und eines versöhnten, friedlichen Zusammenlebens. 

Das wünsche ich mir auch jetzt. Ich wünsche mir, dass Menschen in kleinen familiären oder freundschaftlichen Rivalitäten und Streitigkeiten ihren Neid offen ansprechen können, ohne zu verurteilen, dass sie zu Worten der ehrlichen, freien Aussprache und Versöhnung greifen und nicht zu Taten der Ausgrenzungen und Verletzungen. Und ich wünsche mir, dass auch politische Verantwortliche in ihren Kämpfen und Kriegen ihre Sorgen, Empfindungen der Benachteiligung und ihre Bedürfnisse ansprechen und aussprechen, aber ihre Waffen ruhen lassen. Dass sie Wege finden zur Freude der Vergebung und des Friedens. Hier nützen nicht Beschimpfungen, Hasstiraden, Einseitigkeiten. Auch Putin ist noch ein Menschheitsbruder, auch wenn er sich voller blindem Hass und Neid und anderen Gründen nicht mehr als menschlich erweist. Alle politisch Verantwortlichen in der Welt, die Konflikte bearbeiten und lösen wollen und Frieden sichern und stiften wollen und auch wir; wir alle brauchen diese tiefe Freude der Vergebung und eines versöhnten, friedlichen und gerechten Miteinanders, die Jesus in diesem Gleichnis zeigt. 

Fürbitten
  1. Wecke die Freude der Vergebung in den Soldatinnen und Soldaten, die sich in kriegerischen Konflikten befinden. 
  2. Wecke die Freude der Vergebung in den politischen Regierungsverantwortlichen all der Nationen, die Krieg führen und darin verwickelt sind. 
  3. Wecke die Freude der Vergebung in den Familien und Freundschaften, die aus verschiedensten Gründen zerstritten sind. 
  4. Wecke die Freude der Vergebung in den hartherzigen und unbarmherzigen Entscheidungen und Lehren in unserer Kirche. 
  5. Wecke die Freude der Vergebung immer wieder neu in allen Opfern von Gewalt und Krieg und in denen, die ihnen helfen und sie unterstützen.

Vater unser

Segen
Wir sind nicht Geschwister unter Waffen, sondern Geschwister unter dem einen Gott, der uns Vater und Mutter ist. 

Wir sind nicht verdammt dazu, sinnlos zu sterben, sondern zu leben in Ewigkeit und Frieden durch Jesus Christus, unseren Bruder. 

Wir werden nicht dafür brennen, Waffengeschwister zu sein, sondern in uns brennt die Geistkraft für Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit. 

Unter dem Zuspruch und Segen des vergebenden, liebenden, einenden Gottes wollen wir gestärkt sein für unseren Auftrag, Zeuginnen und Zeugen von der Freude der Vergebung und der Versöhnung zu sein, heute, morgen und alle Tage unseres Lebens. AMEN.

 

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