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Impuls zum 2. Oktober 2022

Zum 27. Sonntag im Jahreeskreis

Von Klaus Hagedorn (Oldenburg), Geistlicher Beirat pax christi Deutsche Sektion e.V.

Von Gewaltfreiheit – Die Kraft der Liebe im Handeln

Ein Wort vorneweg
Am Sonntag, den 2. Oktober 2022, beginnen wir als pax christi-Bewegung mit der Kampagne „gewaltfrei wirkt“. Wir beginnen – und es herrscht seit über sieben Monaten Krieg in Europa. Die Nachrichten machen immer wieder neu fassungslos. Das alles darf aber nicht sprachlos werden lassen, nicht resignativ, nicht gleichgültig. Unsere Kampagne „gewaltfrei wirkt“ will für „Gewaltfreiheit als Politikstil für den Frieden“ im Sinne von Papst Franziskus eintreten und Gewaltfreiheit als Handlungsprinzip im Alltag wachhalten; sie hat auch das Ziel der Vereinten Nationen im Blick, mitzuhelfen, die nachfolgenden Generationen von der Geißel des Krieges zu befreien; sie bezieht sich auf „Pax Christi“, den Frieden Christi; und dieser zielt ab auf eine Zukunft in Frieden, Gewaltfreiheit, Gerechtigkeit und Liebe. 

Heute ist ebenfalls der „Internationale Tag der Gewaltlosigkeit“. Die Vereinten Nationen haben ihn 2007 beschlossen. Und sie haben diesen Gedenktag gelegt auf den Geburtstag von Mahatma Gandhi. Gandhi wurde am 2. Oktober 1869 geboren. Am 30. Januar 1948, gut 78-jährig, wurde dieser gewaltfreie Revolutionär in seinem Heimatland ermordet. Schon zu Lebzeiten verliehen ihm seine Anhänger den Ehrentitel „Mahatma“, das bedeutet „Große Seele". 

Für mich als Christ ist dieser weltweite Gedenktag auch eine Schnittfläche mit der Botschaft des Jesus von Nazareth, dem wir die Bergpredigt verdanken. Ich lasse mir durch ihn zusprechen, dass es jenseits aller Gewalt und jenseits reiner Passivität und Resignation eine Alternative gibt, die aktive Gewaltfreiheit heißt. Und sie ist die Form der Friedensarbeit, zu der ich mich durch den Nazarener aufgerufen sehe. Gandhi hat die Bergpredigt in seiner Londoner Studienzeit entdeckt und soll in ihr zeitlebens gelesen haben.

„Ich glaube nicht an Gewalt!“ Wenn man – ohne von Gandhi viel zu wissen – nur einen Satz mit ihm verbinden müsste, wäre es wohl dieser. Der indische Rechtsanwalt, Widerstandskämpfer, Asket und Pazifist Gandhi wird zu Recht verehrt für die konsequente Umsetzung und weltweite Verbreitung eines gewaltfreien Wirkkonzepts von Gerechtigkeit. Sehr bekannt wurde sein ‚Salzmarsch’ von 1930, mit dem er die britische Besatzungsmacht moralisch diskreditierte. Diese spektakuläre Kampagne führte letztlich zur Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien. 

Gandhi benutzte für seine gewaltfreien Aktionen den aus dem Sanskrit stammenden Begriff “Satyāgraha“. Er ist eine von ihm erdachte Zusammensetzung zweier Wörter: ‘satya‘ - ‘Wahrheit‘ und: ‘ā-graha‘ - ‘beharrlich, ja hartnäckig an etwas festhalten‘. Damit ist sein Grundimpuls umschrieben: das "Festhalten an der Wahrheit". Darum heißt Satyāgraha auch "Kraft der Wahrheit". Gandhi ist überzeugt: Das Streben nach Wahrheit erlaubt es nicht, einem Gegner Gewalt anzutun; es braucht immer Geduld und Mitgefühl, um ihn von seinem Irrtum abzubringen. Für Gandhi ist Satyāgraha eine Waffe für die Stärksten. Er meint mit den “Stärksten“ diejenigen, die die Anwendung von Gewalt in jeder Form ausschließen. Wer das praktiziert, so sagt er, kennt keine Niederlage; unermüdlich ringt er für die Wahrheit und nimmt sogar persönliche Nachteile hin. Er beleidigt nie seine Gegner, wendet sich durch ruhige Argumente an deren Vernunft und appelliert durch den Einsatz seines Lebens auch an deren Herz. Es gilt, die “Seelenkraft“ zu spüren, d.h. die dem Menschen innewohnende Gewissheit zu entdecken, dass der Tod nicht das Ende bedeutet. 

Hören wir Gandhi mit seinen eigenen Worten: „Zu sagen, Gewaltlosigkeit ist unmöglich, nur weil sie schwierig ist, entspricht nicht unserer Erfahrung. Unmögliches wird doch ständig möglich. Wir sind immer wieder neu erstaunt über die unglaublichsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Gewalt. Aber ich behaupte, dass uns noch viel mehr ungeahnte und scheinbar unmögliche Entwicklungen auf dem Gebiet der Gewaltfreiheit bevorstehen.“

Ein Wort gegenseitiger Versicherung
Unsere Alltags-Rhythmen und Alltags-Gewohnheiten, 
unsere Aufgaben und Pflichten 
unterbrechen wir.
Auf gemeinsamem Boden 
und auf geteilten Gewissheiten 
verbinden wir uns und versichern wir uns gegenseitig:
Wir wollen einstehen 
für Frieden – trotz der Gewalt des Krieges,
für Gerechtigkeit – trotz schreienden Unrechts,
für Hoffnung – trotz oft wahrgenommener Aussichtslosigkeit.
So stehen wir zusammen: 
Im Namen Gottes, der uns Vater und Mutter ist,  
im Namen Jesu, des Gottesmannes aus Nazareth, dem Christus, 
und im Namen der Heiligen Geistkraft. 
Der Gott, der die Liebe und das Leben ist und der uns zu Frieden und Versöhnung mit allen Menschen anstiftet, er begleite uns in aller Suche und in allem Fragen. 

Ein Lied-Wort
Hoffen wider alle Hoffnung, glauben, dass es dennoch weitergeht. Lieben, wo es beinah nicht mehr möglich, damit die Welt auch morgen noch besteht.

Fühlen, wo Gefühle sterben, Licht sehn da, wo alles dunkel scheint. Handeln anstatt tatenlos zu trauern, trösten auch den, der ohne Tränen weint. 

Wach sein, Zeichen klar erkennen, helfen trotz der eignen großen Not. Aufstehn gegen Unrecht, Mord und Lüge, nicht einfach schweigen, wo die Welt bedroht.

Trauen dem, der uns gesagt hat: „Seht doch, ich bin bei euch alle Zeit.“ Mit uns ist er auch in unserm Suchen, bis wir ihn schaun im Licht der Ewigkeit
Ein Bibel-Wort 
Lesung: Habakuk, 1,2-3; 2,2-4
Wie lange, HERR, soll ich noch rufen und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt! Aber du hilfst nicht. Warum lässt du mich die Macht des Bösen sehen und siehst der Unterdrückung zu? Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung, erhebt sich Zwietracht und Streit. 

Der HERR gab mir Antwort und sagte: Schreib nieder, was du siehst, schreib es deutlich auf die Tafeln, damit man es mühelos lesen kann! Denn erst zu der bestimmten Zeit trifft ein, was du siehst; aber es drängt zum Ende und ist keine Täuschung; wenn es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus. Sieh her: Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben.

Ein Auslege-Wort
Erst kam für uns im Großen und Ganzen so bequem lebende Menschen des reichen Nordens (und Westens) eine Pandemie. Dann rückt ein Krieg bedrohlich nahe. Nun nimmt – durch diese für uns neue Brille gelesen – dieser Schrifttext, den wir mit dem Judentum teilen und der auf beeindruckende Weise Menschheitserfahrung reflektiert, an Wucht zu. 

Die ersten Zeilen bringen ins Wort, was so Vielen in den vergangenen Monaten durch Kopf, Herz, Seele ging. 
Sodann: Was verbirgt sich hinter dem Versprechen, der Gerechte bleibe wegen seiner Treue am Leben? Herauszuhören scheint mir der Anruf zu sein, um Rechtschaffenheit bemüht zu bleiben. Ich habe die Idee, das könne bedeuten: Lügen die Stirn zu bieten; eigenes Versagen zu erkennen; bereit zu sein, den Preis zu bezahlen; immerfort um die Kraft zu beten, am Heil Gottes für die Welt nicht zu zweifeln, und das heißt, nicht zu verzweifeln; dabei zu bleiben, für ein Mehr an Frieden und ein Mehr an Gerechtigkeit sich einzusetzen; aufzustehen gegen alle Hassrede und allen Krieg, gegen Atomwaffen und Aufrüstung; nicht aufzugeben, Gewaltfreiheit und Geschwisterlichkeit in allem anzustreben. 

Denn: „Wer einmal erkannt hat, dass der Weg des gewaltfreien Widerstandes und der sich hinschenkenden Liebe der Weg zum Heil und zum inneren und äußeren Frieden der Menschheit ist, der kann nicht anders, als unentwegt dafür zu kämpfen.“ (Hildegard Goss-Mayr)
(nach: Te Deum, Oktober 2022, S. 28f)

Ein Gedenk-Wort
Mitleidender Gott, lass dich erfahren an der Seite deiner Menschen.
Wir denken an alle, die im Krieg und am Krieg leiden: 
dem Krieg in der Ukraine und den Kriegen aktuell in 23 anderen Ländern unserer Erde.

Wir denken an und bitten für:
die Alten, deren Vergangenheit wieder aufreißt,
die Flüchtenden, deren Gegenwart endet,
die Kinder, die ihrer Zukunft beraubt werden;
hier wie dort – Herr erbarme dich;
die Gewaltherrscher, die Menschen als Masse missbrauchen,
die Wortgewandten, die noch auf das Reden vertrauen,
die Mutigen, die widerständige Zeichen setzen;
hier wie dort – Herr erbarme dich;
für alle, die irre werden an der Gewalt,
die das Mitbangen zerfrisst,
die verzweifeln an fehlendem Einfluss;
hier wie dort – Herr erbarme dich;
für alle, die Chancen sehen,
die im Kleinen Großes und Gutes trotz Bösem tun,
die das Leben lieb halten gegen den Tod;
hier wie dort – Herr erbarme dich. 
Mitleidender Gott, um Zeichen deiner Nähe zu uns Menschen bitten wir dich. AMEN

(aus einem Friedensgebet in der Marktkirche in Essen am 22.9.2022)

Ein Gedicht-Wort 
Vertraut den neuen Wegen, 
auf die der Herr uns weist, 
weil Leben heißt: sich regen, 
weil Leben wandern heißt. 
Seit leuchtend Gottes Bogen 
am hohen Himmel stand, 
sind Menschen ausgezogen 
in das gelobte Land. 
Vertraut den neuen Wegen 
und wandert in die Zeit! 
Gott will, dass ihr ein Segen 
für seine Erde seid. 
Der uns in frühen Zeiten 
das Leben eingehaucht, 
der wird uns dahin leiten, 
wo er uns will und braucht. 
Vertraut den neuen Wegen, 
auf die uns Gott gesandt! 
Er selbst kommt uns entgegen. 
Die Zukunft ist sein Land. 
Wer aufbricht, der kann hoffen 
in Zeit und Ewigkeit. 
Die Tore stehen offen. 
Das Land ist hell und weit

(Klaus Peter Hertzsch (1989)
Ein Gebetswort
Vater Unser

Ein Segenswort 
So mache uns Gott zu Werkzeugen seines Friedens, zum Wohle der Menschen, Ihm zur Ehre.
Er segne uns mit dem Geist des Mutes, 
der immer wieder neu aufsteht für das Leben gegen alle Gewalt.
Er segne uns mit dem Geist der Kraft,
der bei Widerständen nicht aufgibt.
Er segne uns mit dem Geist der Liebe,
der wegnimmt, was uns von IHM und dem Nächsten trennt. AMEN.

Zwei Schlussworte 
Dag Hammarskjöld
Das Leben fordert von dir nicht mehr als die Kraft, die du besitzt.
Die einzige mögliche Heldentat ist es, nicht weggelaufen zu sein. 

Mahatma Gandhi
Du musst keine Angst vor Menschen haben und du stehst auch nicht allein den Weltmächten gegenüber. Sei davon überzeugt: überall gibt es Menschen, die tun, was gut ist; die dem Tod und dem Unrecht Widerstand leisten, die an der Stadt des Friedens bauen. Wenn du gut aufpasst, siehst du die Menschen auf dem Weg in eine andere Welt gehen – und wo Menschen gehen, gibt es einen Weg. Du kannst dich ihnen anschließen. Ein und ein halber Mensch, zwei, drei, dreitausend, damals und jetzt unzählige, eine lange Reihe durch die Jahrhunderte.

 

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