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Impuls zum 29. Januar 2023

Zum 4. Sonntag im Jahreskreis

Von Josef Freise (Neuwied), Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von pax christi

Lied
383 Ich lobe meinen Gott

Tagesgebet
Guter Gott, du bist uns immer nahe. 
Du möchtest, dass wir in Liebe miteinander leben. 
Lass uns deine Liebe spüren und unsere Mitmenschen so lieben, wie du sie liebst. Darum bitten wir durch Jesus, unseren Bruder und Freund. Amen.

Lesung 
In der Lesung gibt Paulus eine Übersicht über die Zusammensetzung der Gemeinde in Korinth. Da gibt es nicht viele Gelehrte, Mächtige und Vornehme und damit entspricht die christliche Gemeinde der sozialen Verteilung in der Stadtbevölkerung. Denn die Mehrheit der Bevölkerung bestand noch nie aus Akademikern, aus Millionären und Vorstandsvorsitzenden. 

Aus dem 1. Korintherbrief 1 Kor 1, 26-31 (Übersetzung: Basisbibel)
Schaut euch doch selbst an, Brüder und Schwestern. Wen hat Gott berufen, zu Christus zu gehören? Nach menschlichem Maßstab geurteilt, gibt es da nicht viele Weise oder Einflussreiche. Es gibt auch nicht viele, die aus vornehmen Familien stammen! Nein, was der Welt als dumm erscheint, das hat Gott ausgewählt, um die Weisen zu demütigen. Und was der Welt schwach erscheint, das hat Gott ausgewählt, um ihre Stärke zu beschämen. Was für die Welt keine Bedeutung hat und von ihr verachtet wird, das hat Gott ausgewählt. Er hat also gerade das ausgewählt, was nichts zählt. So setzt er das außer Kraft, was etwas zählt. Deshalb kann kein Mensch vor Gott stolz sein. Gott allein habt ihr es zu verdanken, dass ihr zu Christus Jesus gehört. Er bringt uns die Weisheit, die von Gott kommt, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung. Denn es sollte gültig bleiben, was in der Heiligen Schrift steht: »Wer auf etwas stolz sein will, soll auf den Herrn stolz sein.«

Lied
474, Wenn wir das Leben teilen… 1., 4., 5. Strophe

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 5, 1-12a)
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

In jener Zeit,
als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten,
stieg er auf den Berg.
Er setzte sich
und seine Jünger traten zu ihm.
Und er öffnete seinen Mund,
er lehrte sie und sprach:
Selig, die arm sind vor Gott;
denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden;
denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen;
denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit;
denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen;
denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die rein sind im Herzen;
denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften;
denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen;
denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt
und alles Böse über euch redet um meinetwillen.
Freut euch und jubelt:
Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.

Gedanken zu Don Lorenzo Milano im Kontext von Lesung und Evangelium
Die Seligpreisungen hören wir oft im Evangelium – zu Allerheiligen sind sie immer dran. Im Zusammenhang mit der Lesung aus dem Korintherbrief haben ich einen neuen Zugang gefunden, als ich an den weitgehend in Vergessenheit geratenen italienischen Priester Don Lorenzo Milani dachte. Er lebte aus dem Geist der Seligpreisungen. 

Lorenzo Milani wurde 1923 als zweites von drei Kindern einer angesehenen und begüterten Familie in Florenz geboren. Im Alter von zwanzig Jahren trat er in Florenz in das Priesterseminar ein, wurde 1947 zum Priester geweiht, und als Kaplan in einen Industrievorort von Florenz entsandt. Dort gründete er eine „scuola popolare“ für junge Arbeiter und Bauern, überzeugt, dass Bildung der einzige Ausweg aus deren sozialer Misere sei. Sein pädagogisches Engagement führte schon bald zu Konflikten mit der kirchlichen Obrigkeit, die eine andere Auffassung von seiner priesterlichen Aufgabe vertrat. Deshalb verbannte man ihn 1954 in die winzige Berggemeinde Barbiana, „jwd“ würden wir sagen. Sein Bischof dachte, da sei er weit genug vom Schuss, um Unruhe zu stiften. 

Lorenzo ließ sich allerdings auch durch diese „Strafversetzung“ nicht von Aktivitäten abhalten. Nach einem Jahr hatte er im Pfarrhof für die armen Bergbauernkinder der Gegend die „scuola di Barbiana“ gegründet. Das erste, was er mit den Schülern und deren Eltern machte, war, eine Schotterstraße so fertig zu stellen, dass das abgeschnittene Dorf für den Schulbus, den Krankentransport, das Postauto erreichbar wurde. Seine Schule wurde weit über Italien hinaus berühmt und zum pädagogischen Denkanstoß. 1966 begann Lorenzo zusammen mit seinen Schülern das Buch „Lettera a una professoressa“ („Die Schülerschule von Barbiana“) zu schreiben, das im Mai 1967 veröffentlicht wurde.  

In diesem Buch kritisiert er das ungerechte Klassensystem der italienischen Schulbildung: „Am Vormittag werden die Lehrerinnen und Lehrer von uns bezahlt, um gleiche Schule für alle zu halten. Am Nachmittag, schreibt er, nehmen die Lehrer Geld von den Reichen, um den Herrensöhnchen Nachhilfestunden zu geben. Im Juni am Ende des Schuljahres sitzen sie dann, auf unsere Kosten, zu Gericht, schreiben Zeugnisse und beurteilen die Unterschiede.“

Don Lorenzo Milani vertrat die Ansicht, dass eine Demokratie erst dann vollends verwirklicht sei, wenn die Armen und Benachteiligten das Sagen haben und wenn Gesetze nach ihren Bedürfnissen verfasst werden: Er fragte seine Mitbürgerinnen und Mitbürger: „Seid Ihr bereit, Euch von den Armen regieren zu lassen?“ Damit die Armen uns gerecht regieren, brauchen sie Bildung – ihnen diese Bildung zu ermöglichen, das war seine priesterliche Berufung. 

„Selig die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich.“

Paulus beschreibt in der heutigen Lesung die Zusammensetzung der Gemeinde in Korinth: Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, die Niedrigen, Verachteten. 

In der Gemeinde von Korinth spiegelte sich der Durchschnitt der Bevölkerung in Korinth wider; dort traf sich nicht die High Society. 

Wie ist unsere Gemeindezusammensetzung? Wer zählt sich bei uns zur Gemeinde? Lesung und Evangelium sollten uns ermutigen, unser Gemeindeleben zu transformieren. 

Die Anfrage können wir auch an unsere politischen Gremien richten: Wer ist dort vertreten? Im Bundestag haben gerade mal 2,7 % einen Hauptschulabschluss, 6,2 % einen Realschulabschluss oder einen Abschluss der polytechnischen Oberschule, 9,8 % einen Fachhochschulabschluss und 81,3 % haben ein Abitur. Knapp Drei Viertel der Bundestagsabgeordneten sind Akademiker*innen aus den Geistes- und Naturwissenschaften bzw. aus der Verwaltungs- und Rechtswissenschaft. Ein Staat, dessen Parlamente so wenig die reale Bevölkerungsstruktur widerspiegeln, ist keine vollständige Demokratie, eher eine hinkende Demokratie. Politisch sind wir als Bürgerinnen und Bürger angefragt, unsere Demokratie zu reformieren.
Unsere Parlamente sehen auch heute noch nicht so aus, dass die Armen da ihre Stimme erheben können. 

Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.

Don Lorenzo Milani geriet im Jahr 1965 in einen Konflikt, der ganz Italien bewegte.  

Im Jahr 1965 bezeichneten nämlich die italienischen Militärseelsorger die Kriegsdienstverweigerung als Beschimpfung des Vaterlandes und seiner Gefallenen. Sie sagten, Kriegsdienstverweigerung sei unvereinbar mit dem Christentum. Sie forderten, es müsse endlich Schluss gemacht werden mit jeder „Diskriminierung der Soldaten aller Fronten und Uniformen, die sich sterbend für das heilige Ideal des Vaterlandes geopfert haben“ Don Lorenzo Milani erhob seine Stimme gegen die Militärseelsorger. Er schrieb einen offenen Brief an die Militärtheologen. In Italien wagte es nur das kommunistische Blatt „Rinascita“, den Brief vollständig abzudrucken. In dem Brief heißt es: Wenn „ihr euch das Recht nehmt, die Welt in Italiener und Ausländer einzuteilen, so kann ich euch nur sagen, dass ich in dem von euch gebrauchten Sinne des Wortes kein Vaterland habe, sondern dass ich das Recht in Anspruch nehme, die Welt in Arme und Unterdrückte einerseits, Bevorrechtigte und Unterdrücker andererseits einzuteilen. Die Ersteren sind mein Vaterland, die anderen meine Ausländer. Und wenn ihr ohne bischöflichen Einspruch lehren könnt, dass es rechtens, sogar heldenhaft sei, wenn sich Italiener und Ausländer gegenseitig niedermetzeln, so verlange ich das Recht, zu sagen, dass die Armen die Reichen bekämpfen dürfen und sollen. Zumindest in der Wahl der Kampfmittel bin ich besser als ihr:  Die Waffen, die ihr gut heißt, sind entsetzliche Maschinen, hergestellt um zu morden, zu verstümmeln, zu zerstören und Waisen und Witwen zu schaffen. Die einzigen Waffen, die ich gelten lasse, sind edel und unblutig: der Streik und die Wahlen.“ Das schrieb Don Lorenzo in seinem Offenen Brief an die Feldgeistlichen. 

Die Militärseelsorger erstatteten Anzeige gegen Don Lorenzo Milani und daraufhin wurden Don Lorenzo Milani und der zuständige Redakteur der Zeitung Renascita vor Gericht gestellt und es kam es zu einem langwierigen Prozess gegen die beiden. In erster Instanz wurden sie freigesprochen wurde, aber in der zweiten Instanz wurde ein Schuldspruch gefällt. Der Redakteur wurde im Oktober 1968 zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, Don Lorenzo war bereits ein Jahr zuvor im Alter von 45 Jahren an Leukämie gestorben. Hätte er noch gelebt, hätte ihm auch ein Gefängnisaufenthalt gedroht. 

Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.

Don Lorenzo Milani war in der italienischen Kirche und in der Weltkirche weitgehend vergessen. Besser sollte man sagen: Sein Erbe wurde verdrängt. Er galt als unbequem, als Einzelgänger und Außenseiter. Solche Leute sind im Klerus nicht beliebt. Papst Franziskus brachte ihn wieder in unser Gedächtnis. Er besuchte Barbiana vor sechs Jahren am 20. Juni 2017. Er ging an Don Lorenzo Milanis Grab und betete dort. 
In seiner Ansprache in der Kirche von Barbiana sprach Papst Franziskus seine besondere Wertschätzung für Don Lorenzo Milani aus und schloss mit den Worten: Betet für mich, vergesst es nicht. Damit auch ich mir diesen tüchtigen Priester zum Vorbild nehme. 

Lied
543 Wohl denen, die da wandeln, Strophen 1,4,5

Schlussgebet und Segen
Barmherziger Gott, du nimmst uns an in unseren Grenzen, in unserer Armut. Stärke uns, Trauernde zu trösten, Hungernde zu sättigen und Frieden zu stiften in dieser Welt. Darum bitten wir dich, durch Jesus Christus unseren Herrn.

Und so segne uns der gute Gott, der in seiner Liebe nie alleine lässt, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, Amen.

Lied
GL 395 Den Herren will ich loben...

 

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