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Impuls zum 14. August 2022

Zum 20. Sonntag im Jahreskreis

Von Ferdinand Kerstiens (Marl), pax christi Münster

Jesus, der Anführer unseres Glaubens
„Mich ließ das nicht mehr los: Jesus hat Glauben gelernt! Jesus – ein Schüler. Ich spürte, wie ER mir an dieser Stelle näher kam. Wie oft bin ich Schüler, Lernender. Er ist „in allem uns gleich, außer der Sünde“ (4. Hochgebet), also gleich in unserem Glauben, in unserem Lernen, in unserem Lieben.“ (Wilhelm Bruners)

Lesung
Jer 38,4-6.8-10

Lesung aus dem Hebräerbrief 12,1-4:
Schwestern und Brüder! Darum wollen auch wir, die wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, alle Last und die Sünde abwerfen, die uns so leicht umstrickt. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens; er hat angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und sich zur Rechten von Gottes Thron gesetzt. Richtet also eure Aufmerksamkeit auf den, der solche Anfeindungen von Seiten der Sünder gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermattet und mutlos werdet. Ihr habt im Kampf gegen die Sünde noch nicht bis aufs Blut Widerstand geleistet.

Evangelium: Lk 12,49-53
Jesus – ein Glaubender? Vielleicht tun wir uns mit dieser Frage schwer. Jesus – ein Glaubender? Er hat uns doch offenbart, was Gott uns durch ihn mitteilen wollte. Er hat uns doch gesagt, was wir hoffend annehmen und glauben dürfen. Er brauchte doch nicht zu glauben wie wir.

Doch in der heutigen Lesung heißt es: „Wir schauen auf zu Jesus, dem Urheber und Vollender unseres Glaubens“. Das Wort griechische Wort „archegon“ kann man auch mit „Anfänger“, „Begründer“, „Anführer“ übersetzen: Jesus, der Anfänger, Begründer und Anführer unseres Glaubens. Er geht den Weg voran. Er weist den Weg. Aber er muss selber diesen Weg gehen: Jesus mit uns unterwegs als Glaubender! 

Jesus wächst auf in Nazareth. Einfach so, unauffällig. Er spielt mit seinen Schwestern und Brüdern, mit den anderen Kindern und Jugendlichen auf der Straße. Die Nazarener erinnern sich später noch an die Namen der Geschwister Jesu. Er arbeitet dann vermutlich im kleinen Betrieb seines Vaters. Aber irgendwann muss ihm aufgegangen sein, dass dies nicht sein Lebensberuf sein kann. Er geht auf Suche nach einem tieferen Sinn, nach einer neuen Orientierung für sein Leben. Er hört von Johannes, dem Täufer, und seiner Botschaft. So bricht er auf, lässt sich von Johannes taufen und wird wohl eine Zeitlang einer seiner Jünger. 

Doch irgendwie hat ihm die Botschaft von der nötigen Umkehr und vom drohenden Gericht nicht ausgereicht. Er braucht eine Zeit des Nachdenkens, des Betens, der neuen Suche nach dem Geheimnis Gottes für die Menschen, auch für sein eigenes Leben. Biblisch heißt es: Er geht in die Wüste, 40 Tage lang. Die Wüste ist für Israel immer Glaubensprobe, Ort der Unmittelbarkeit mit Gott, ohne Möglichkeit sich zu verstecken. Sein Glaube wandelt sich. Er widersteht der Versuchung, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht ihm um Gott und seine heilende Nähe für die Menschen. So seine Botschaft: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an diese Frohe Botschaft.“ Die Menschen staunten über seine Lehre und die Kraft und Vollmacht, mit der er sie vortrug. In vielen Gleichnissen und Geschichten macht er deutlich, wie Gott handelt und Leben schenkt. 

Doch es blieb nicht bei seinen Worten von der Nähe des Reiches Gottes, er ließ diese Nähe auch spüren durch die heilenden Kräfte, die von ihm ausgingen. Er hatte kein fertiges Konzept für sein Handeln. Er hört die Rufe der Leidenden, er nimmt sie wahr, er lässt sich bewegen von der Not und der Hoffnung der 
Menschen. Er isst mit den Zöllnern und Sündern, berührt die Kranken, befreit die Menschen aus ihrem Alleingelassensein, von den Ängsten, die sie niederdrücken. Er hilft den Menschen zu neuem Lebensmut, zum aufrechten Gang. Er spricht die Vergebung der Sünden zu, wo er den Glauben der Menschen spürt. Er heilt durch Zuwendung.

Er hat kein fertiges Drehbuch für sein Leben in der Tasche. Er lernt vielmehr aus der Situation der Menschen, aus ihrem Glauben, ihren Bitten, aus ihrer Not, was der Wille Gottes ist. Er muss immer neu fragen, wohin Gott ihn führt. Er weiß sich zunächst nur zu den verirrten Schafen Israels gesandt, so wie die Propheten Israels sich verstanden. Aber er überschreitet Grenzen, als er den Glauben des heidnischen Hauptmanns und der Syrophönizierin wahrnimmt. So folgt er im Glauben dem Gott, der ihn berufen hat und der keine Grenzen kennt. Viele Menschen folgen ihm, Frauen und Männer. Auch das ist neu in Israel, wo sonst nur Männer zu Füßen ihrer Lehrer sitzen. 

Doch es gibt Krisen: Jesus ist traurig, wenn seine Botschaft nicht angenommen wird, so zum Beispiel in Nazareth. Sogar seine eigene Familie versucht zusammen mit seiner Mutter ihn zurückzuholen, damit er der Familie keine Schande bereitet. Ihm nachzufolgen ist nicht leicht. Viele verlassen ihn nach anfänglicher Begeisterung. Aber er will keinen festhalten. Er wirbt um die freie Entscheidung der Menschen, wirbt um Nachfolge. So fragt er seine Jünger, die bei ihm sind: wollt nicht auch ihr gehen?

Das alles geschieht in Galiläa. Aber er spürt in seinem Glauben, dass er nach Jerusalem muss, zur religiösen Mitte Israels. Doch dort gerät er in den Konflikt mit der Priesterschaft, der Tempelhierarchie, die glaubt, sie hätte die alleinige Herrschaft über den Glauben Israels. Doch deren Herrschergott und seine Gesetze passen nicht zu der Verkündigung der Nähe von Gottes Reich, von seiner Bereitschaft zu Vergebung und Versöhnung, von der heilenden, nicht verknechtenden Kraft des Glaubens. Es geht Jesus nicht um Opfer, sondern um Nachfolge. Die Auseinandersetzungen in Jerusalem sind Streit um den richtigen Glauben. Das führt auch zum Konflikt mit der römischen Oberherrschaft über Israel. Jesus weiß nicht von Anfang an von seinem Weg ans Kreuz. Er ahnt wohl, dass es nicht gut gehen wird, aber er bleibt seinem Weg treu, den er in seinem Glauben an den Vater geht.

Getsemani: Was hat Gott mit ihm vor? Immer wieder hat Jesus im Gebet den Kontakt mit dem gesucht, den er Vater nennt. Jetzt ist die dunkelste Stunde in seinem Glauben. Es ging ihm doch um das Leben mit Gott in Freiheit und Liebe, nicht um den Tod. Jesus klagt vor Gott und muss neu fragen, wohin Gott ihn führt. Die Worte, die ihm die Evangelien in Getsemani in den Mund legen, sind Glaubensdeutung der jungen Gemeinden, die seinen Leidensweg bedenken. Die anwesenden Jünger schlafen ja und bekommen nichts davon mit. Sie erleben nur seine anschließende Entschlossenheit, seinen Weg weiter zu gehen. Jesus vertraut sich dem Willen Gottes an in alle Dunkelheit hinein: dein Wille geschehe. Seine Jünger fliehen, als es ernst wird. Judas verrät ihn, warum auch immer. Petrus leugnet, dass er Jesus gefolgt ist. Jesus muss alleine seinen Weg gehen. Gefoltert, verspottet, ans Kreuz geheftet, wie es Rom damals mit Verbrechern und politischen Gegnern tat, eine grausame Hinrichtung.

Die Evangelien sind erzählt und aufgeschrieben, weil Menschen an die Auferweckung Jesu glaubten. Sonst wüssten wir nichts von ihm. Dieser Glaube durchwirkt alle Erzählungen von Jesu Leben. Dieser Glaube hat auch die letzten Worte Jesu am Kreuz geformt. Sie sind ja keine Protokolle der anwesenden Journalisten, sondern Zeugnisse des Glaubens der Urgemeinde in großer Spannbreite: „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ (Mk und Mt) – „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist!“ (Lk) – „Es ist vollendet“ (Joh). -- 

Auch das heutige Evangelium erzählt uns von dem mühsamen und angstbesetzten Weg, den Jesus im Glauben trotz aller Anfechtungen voll Vertrauen weitergeht: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen; und wie froh wäre ich, wenn es schon brennen würde! Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und wie sehr bin ich bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist.“ Diese Taufe ist sein Weg zum Kreuz. Er muss den Glauben immer neu lernen, ihn festhalten auch in seinem Leiden bis hin ans Kreuz. Im selben Hebräerbrief, aus dem unsere Lesung genommen ist, heißt es: „Als er auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt.“ (5,7-9) Jesus hat durch das Leiden hindurch den Glauben gelernt, dass Gott ihm auch dort nahe ist, wo er ihn nicht spürt. Auch das ist eine Gestalt seines Glaubens. 

So hat Jesus selber mühevoll diesen Glauben gelernt. Er ist der „Anfänger“, der „Anführer“, der erste in der Reihe der Glaubenden. Und damit ist er auch der „Begründer“ und „Urheber“ unseres Glaubens. Er ist diesen Weg des Glaubens konsequent weitergegangen bis zum Ende, bis zur Vollendung. Dieser Weg ist also gangbar – auch für uns. 

Ist dieser Jesus mit seinem Glaubensweg uns nicht sehr nahe mit seinen Fragen und Zweifeln? Das Kreuz Jesu, sein Leiden und Sterben bleiben wie das Leid aller Menschen und aller Tod in der Welt eine offene Frage an den Gott des Lebens, der uns oft so dunkel erscheint. Ist uns Jesus nicht nahe mit seinen Enttäuschungen über den Widerstand der Menschen, mit seiner Kritik an der verbeamteten Religion und vieler ihrer Vertreter, mit seiner Angst vor dem Scheitern seiner Friedensbotschaft? Es geht um den Glauben an den Gott, der auch für Jesus nicht verfügbar war, aber dem er bis in den Tod vertraute.  Jesus, der Glaubende, der Anführer, Begründer und Vollender unseres Glaubensweges. „Jeder Versuch, ihn zu wissen, ihn zu verstehen, ist allemal ein Gehen, ein Nachfolgen…. Nur ihm nachfolgend wissen wir, auf wen wir uns eingelassen haben.“ (J.B. Metz)

Wir sind noch unterwegs. Viele von uns kennen Zeuginnen und Zeugen dieses Glaubens, die uns mit auf den Weg genommen haben. Der Hebräerbrief spricht von einer Wolke von Zeugen und nennt dabei Abraham, Jakob, Mose, die Dirne Rahab und viele andere. Wer sind für uns die Glaubenszeuginnen und -zeugen, die wir selber kennen, vielleicht sind es Alfred Delp und Dietrich Bonhoeffer, Oscar Romero und Helder Camara, oft auch unsere Eltern, vielleicht auch Priester und Ordensleute, oder einfach Menschen von nebenan. Wenn wir mit ihnen auf unseren Glaubenswegen unterwegs bleiben, dann gehören wir auch zu der Wolke von Zeuginnen und Zeugen, die anderen auf ihrem Glaubensweg Mut machen. 

Gebet
Verborgener Gott,
es gibt so viele Fragen nach dir,
auf die ich keine Antwort weiß.
Manche allzu glatte Antwort
hält der Wirklichkeit von Not und Gewalt nicht stand,
die so viele Menschen zu Opfern macht.
Ich danke dir für die Frauen und Männer,
die für mich trotzdem zu Zeuginnen und Zeugen des Glaubens wurden,
die mich mitnehmen auf ihrem Glaubensweg
auch in dunkler Zeit.
Denn wir können diesen Weg nur zusammen mit anderen gehen.

Wir danken dir für Jesus, den Anführer und Begründer unseres Glaubens.
Lass uns mit ihm lernen, was dein Wille ist.
Er ist mit uns unterwegs.
Lass uns seine Nähe spüren, 
wenn du, dunkler, guter Gott, uns ferne zu sein scheinst.
Lass ihn auch für uns der Vollender unseres Glaubens werden.

So bitten wir mit Jesus, der unser Bruder im Glauben geworden ist
und den du durch seine Auferweckung 
mit seiner ganzen befreienden Botschaft für uns bestätigst hast. 

 

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